Erfahrungsbericht

Vorbemerkung im April 2009

In Sachsen ist offiziell die schulische Integration von Kindern mit Behinderung möglich, WENN…

Behörden gehen regional sehr unterschiedlich mit dem "WENN…" um. Eltern und engagierte Fachleute können davon viele Lieder singen. Den erheblichen regionalen Unterschied zwischen dem Lernen in der Landeshauptstadt Dresden und dem 45 km entfernten Freiberg/ Sachsen, erlebte ich mit meiner hörbehinderten Tochter (Grad der Behinderung: 100%) und der ganzen Familie. Um die schwierige Etappe des Schul- und Wohnortwechsels weitestgehend zu verarbeiten, belegte ich Mitte der 90-er Jahre an der Fernuniversität Hagen Fortbildungskurse im Baukastensystem, die für Eltern und Fachleute angeboten wurde. Im Rahmen dieser integrationspädagogischen Fortbildung entstand der nachfolgender Praxisbericht "Von der Grundschule zur …?".

Inzwischen sind mehr als zehn Jahre vergangen. Meine Tochter absolvierte nach dem Abschluss der mittleren Reife ihre Berufsausbildung gemeinsam mit hörenden Altersgefährten. Anschließende Arbeitslosigkeit füllte sie mit berufsspezifischen Computerkursen, die sie als jüngstes Küken unter gestandenen Ingenieuren recht ordentlich belegte. Gerade diese alters- und berufsmäßig gemischte Fortbildungsgruppe prägte sie als junge Erwachsene nachhaltig positiv. Danach wagte sie einen Schritt, den wir Jahre vorher nicht für möglich gehalten hätten: Sie nahm eine Arbeitstelle an - in einem Dorf knapp 600 km vom Familienwohnort entfernt - mit allen Konsequenzen:
- PKW-Führerschein und Fahrzeug,
- Suche nach geeignetem Wohnraum und übergangsweise Wohnen in verschiedenen Beherbergungen,
- Aufbau eines neuen, eigenen Freundeskreises.

Wenn ich heute mit ihr telefoniere, wird es mir warm ums Herz: Ich kann mich mit meiner nahezu gehörlos geborenen Tochter dank der gelungen Spracherziehung im Kindesalter und der heutigen technischer Hilfen und problemlos über Entfernungen hinweg verständigen. Sie ist wirtschaftlich und sozial selbständig. Hätte mir vor 24 Jahren jemand diese Entwicklung prophezeit, wäre ich garantiert ungläubig geworden.

Ich bin dankbar, diese wichtigen Lebensetappen als Mutter zwar mit vielen Verletzungen, aber ohne bleibende Schädigungen durch manche "so genannte Fachleute" bewältigt zu haben. Phasen der Auseinandersetzung - selbst mit dem Justiziar im Sächsischen Kultusministerium im Jahr 2000 - führten dennoch zu erheblichen zusätzlichen Belastungen und Bedrohungen für die ganze Familie. Gott sei Dank fanden wir Hilfe in schwierigen Zeiten.